Neue Player auf dem Markt
Der kleine und sehr spezielle österreichische Medienmarkt hat sich ebenso stark verändert, einige Mermkale sind aber gleich geblieben. Darauf schauen wir im Teil IV.
Die Parteizeitungen verschwanden in den 1990er und 2000er gänzlich vom Zeitungsmarkt, fanden jedoch eine Online Neuauferstehung in den 2020er. Neugründungen gab es in der Nachkriegsära wenige. „Der Standard“ war eine der wenigen Ausnahmen. 1988 von Oscar Bronner aus der Taufe geholt, positionierte sich der Standard als linksliberales Qualitätsmedium[1]. Bronner hielt neben dem Axel Springer Verlag die 50% Anteile. 1995 kaufte Bronner die Springe Anteile, verkaufte aber 4% davon an die Süddeutsche Zeitung. Besonders innovativ war der Standard im Online Segment. Die Redaktion war die erste, die auch online zur Verfügung stand. Heute noch ist der Standard insbesondere für seine frei zugänglichen Online Artikel und damit verbundene aktiv tätige Community bekannt.
Der ORF hat weiterhin eine herausragende Position[2]. Obwohl es im Jahr 1993 zur Zulassung von zuerst Privatradios[3] und später im Jahre 2003 zur Zulassung von Privatfernsehen[4] gekommen war, ist der ORF nach wie vor als zentrales Leitmedium Österreichs, wenn auch mit immer geringer werdender Reichweite, zu sehen.
Gerade deswegen gab und gibt es um den ORF immer schon politische Auseinandersetzungen; unabhängig von den gerade aktuellen gesetzlichen Grundlagen. Nahezu alle politischen Strömungen fordern die Entpolitisierung des ORF, aber eine wirkliche Lösung dafür findet sich nicht. Bis auf wenige, die den ORF insgesamt gerne zerschlagen würden; das sind vor allem rechtsextreme FPÖ nahe Kreise. Niemand will seinen Einfluss und seinen Zugriff auf den ORF und seine Machtposition aufgeben und das betrifft nicht nur die Parteien, sondern auch Sozialpartner, Kirchen usw.
Der ORF ist aber auch mit einem eigenen Gesetz an gewisse Spielregeln gebunden[5]. So ist er etwa in seinem öffentlichen Auftrag der „Objektivität und Unparteilichkeit der Berichterstattung, die Berücksichtigung der Meinungsvielfalt, die Ausgewogenheit der Programme sowie die Unabhängigkeit der Personen und Organe“ verpflichtet.
Auch hat sich der ORF als öfffentlich rechtlicher Sender in den letzten Jahrzehnten weiterentwickelt, insbesondere auch auf dem Online Sektor. Die sogenannte „Blaue Seite“ ist eine seriöse, der Qualität verpflichtete Datenquelle im weiten Netz der Online Medien. Jedoch steht diese immer wieder unter Beschuss der „Privaten“, die die ORF Online Angebote als unzulässige Konkurrenz ansehen. Seit 1.1. 2024 gibt es ein neues ORF Gesetz, das die Angebote Online neu regelt[6].
Nichts desto trotz stehen insbesondere die ORF Gremien und Postenbesetzungen immer wieder unter Beobachtung, da sich die Parteien, Sozialpartner, Lobby- und Vorfeldorganisationen Einflusssphären sichern versuchen.
In den 2000er Jahren tauchten am Markt einige neue Medien auf. 2004 erschien „Heute“ – eine Gratiszeitung, die dem Trash Boulevardsektor zuzuordnen ist. „Heute“ hat geografisch einen Wiener Schwerpunkt, liegt gratis in eigenen Ständern in U-Bahnen und Stationen aus und wird von Eva Dichand herausgegeben[7].
Ebenso dieser Kategorie des Trash-Boulevards zuzuordnen, ist „Österreich“, das als Konkurrenzblatt zu Heute zu verstehen ist und von den Fellner Brüdern geleitet wird. Beide Produkte sind sowohl im Print als auch online verfügbar und zeichnen sich durch Skandalisierung, Gerüchten und Halbwahrheiten aus, die sie zu großen Foto- und Skandalstorys „aufblasen“. 2018 wurde Österreich als Kaufvariante zu OE24 getrennt, das als Gratisblatt verstanden wird[8]. Auch deswegen, um an öffentliche Gelder/Förderungen heran zu kommen.
Beide Blätter führen einen erbitterten Streit auf allen Ebenen und sind auflagenstark, was jedoch nur bedingt aussagekräftig ist, da viele Exemplare frei zugänglich und gratis verfügbar sind. Eine seriöse Reichweiteneinschätzung ist daher kaum möglich.

Fast alle Zeitungen und Medienprodukte haben sich in den letzten Jahren auch eine eigene Online Präsenz aufgebaut. Dem digitalen Trend folgend und als absolute Notwendigkeiten Leser*innen noch in irgendeiner Form anzusprechen und zu binden. Die Reichweiten aller Printprodukte gehen seit Ende der 1990er Jahre kontinuierlich zurück. Leser*innen können jedoch durch den Online Auftritt sehr wohl angesprochen werden. Nicht einher gehen tut jedoch damit der Ausfall der Online Werbeinnahmen. Ein großer Teil fließt in Multinationale Konzerne.
Abgesehen von den arrivierten Zeitungen (Standard, Kurier, Kleine Zeitung usf.) entstanden in den letzten Jahren auch Medien, die sich als mehr oder weniger Online Recherche Portale verstehen. So ist 2020 die ehemalige sozialdemokratische Neue Zeit wieder online aus der Taufe gehoben worden. Auch online bleibt die NZ der SPÖ Politik nahe und greift deren Themen journalistisch auf[9].
Das Magazin Dossier gibt es zwar als Print Ausgabe, ihre überwiegende Wirkung entfaltet, dass sich selbst – als investigatives Datenjournalismus Medium – verstehende Projekt aber im Netz.
[1] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Oscar_Bronner
[2] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreichischer_Rundfunk
[3] https://www.demokratiezentrum.org/ressourcen/lexikon/regionalradiogesetz/
[4] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Privatfernsehen
[5] https://der.orf.at/unternehmen/recht-grundlagen/gesetze/index.html
[6] https://orf.at/stories/3344257/
[7] https://de.wikipedia.org/wiki/Heute_(%C3%B6sterreichische_Zeitung)
[8] https://de.wikipedia.org/wiki/%C3%96sterreich_(Zeitung)
[9] https://neuezeit.at/
Ohne Werbung wird Dossier über Mitglieder und Spenden finanziert. Ihre herausragende Funktion sind Recherche Kooperationen mit anderen Medien und eigenständige Artikel, die oft von anderen – größeren – Medien auch übernommen werden und damit an Bekanntheit gewinnen. Missstände im Asylbereich, Inseratenkorruption, Buwog Affäre, die MeToo- Affäre im ÖSV sind nur einige Themen, die Dossier mit anderen Partner veröffentlichte (ORF, Puls 4, Standard, profil)[10].
Kobuk wiederum ist ein sogenannter Watchblog, der 2010 von Publizistik Studierenden und Bloggern gegründet wurde. Ihr Hauptaugenmerk richtet sich auf Fehler, Fake News, Schleichwerbung und Falschmeldungen bzw. Propaganda Missbrauch in anderen Medien und Online Portalen[11].
Zu erwähnen wäre noch das Magazin „Datum – Seiten der Zeit“, das im Jahre 2004 erschienen ist und tatsächlich auch eine analoge Magazin Form aufweist und 10x im Jahr erscheint.[12] Als Vorbild diente den Gründern der Zeitung etwas das Magazin New Yorker.
Der Arbeiterkammer und dem ÖGB nahestehenden Kontrast Plattform wird ebenfalls als Online Medium wahrgenommen. Sich den sozialdemokratischen Werten verpflichtet, arbeitet Kontrast[13] qualitativ und seriös an Themen wie 4-Tage Woche, Rechtsextremismus, Steuergerechtigkeit, Korruption u.a.
Ein kleiner Zirkel, der sehr viel besitzt
Ein auffälliges Merkmal für den österreichischen Markt ist, dass der ohnehin kleine Markt in Österreich von wenigen Einzelpersonen dominiert wird. Der Rest ist von den immer gleichen Lobby- und Interessensverbänden geprägt. Betrachtet man nur die Eigentümerverhältnisse und die Personen, die in Österreich Medien besitzen, bzw. daran beteiligt sind, so fällt eine eklatante Schieflage auf, die auch mit eine Erklärung für die rechtskonservative Wende der letzten Jahrzehnte in Österreich bedeutet.

Abgesehen vom Standard, der dem linksliberalen Qualitätslager zuzurechnen und der Oscar Bronner Stiftung gehört, sowie dem Falter, der als Wien zentrierte Wochenzeitung geringe offizielle Bedeutung hat, jedoch eine anerkannte Qualitätsmarke darstellt und daher ihr Einfluss größer ist, als dies durch Auflagenzahlen zu bemessen wäre, gibt es nur Zeitungserzeugnisse, die entweder der konservativ-katholischen-ÖVP nahen Einflusssphäre[14] zu zurechnen sind oder Privatpersonen (in Stiftungen und Beteiligungen verschachtelt) gehören, die noch weiter rechts angesiedelt sind bzw. hauptsächlich privaten Unternehmerinteressen[15] und/oder rechtsextremen, -konservativen politischen Agenden folgen und im Einfluss politischer Kräfte stehen[16].
Die eigene Welt der Rechtsextreme und Verschwörer
Ein wesentliches Merkmal und für unser Thema der Entwicklung und Befeuerung von extremistischen Haltungen und Aussagen ist neben der bereits beschriebenen Boulevardisierung des österreichischen Medienmarktes vor allem, der gezielte Aufbau eines alternativen Mediennetzwerkes rund um die FPÖ[17].
Dieses besteht einerseits aus einem eigenen TV-Sender (FPÖ-TV), der über YouTube bzw. die FPÖ eigene Homepage ganz einfach zu empfangen ist und dem AUF1[18]. Andererseits über eine Reihe von klassischen Presseprodukten, wie der Neuen Freien Presse und „Zur Zeit“. Etwas distanzierter zur FPÖ aber um nichts weniger unter dem Einfluss stehend und inhaltlich klar rechtsextrem positioniert, gibt es dann eine Reihe von weiteren Erzeugnissen die analog aber vor allem auch digital verfügbar sind. Wesentlich sind dabei diverse Accounts auf Facebook, Twitter usw. von namhaften FPÖ Politiker*innen, die als Verwertungsebene die Erhöhung der Reichweite ausmachen.
Die FPÖ und deren Vorfeldorganisationen bis hinein in die identitäre und rechtsextreme Szene haben somit einen reichen Fundus an subkulturellen „Plattformen“, die zwar unabhängig erscheinen, aber miteinander vernetzt sind und entsprechende Inhalte gegenseitig austauschen und vervielfältigen.
Antisemitische, rassistische, homophobe und sexistische Inhalte gepaart mit Verschwörungstheorien und Falschmeldungen stellen den überwiegenden Teil der Inhalte dar. Die Corona Pandemie ist ebenso nach wie vor Thema wie das Wettern gegen die EU-Politik, das Anprangern der Migrationspolitik und die Übernahme von russlandfreundlicher Propaganda.
[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Dossier_(Medium)
[11] https://austria-forum.org/af/AustriaWiki/Kobuk.at
[12] https://de.wikipedia.org/wiki/Datum_(Zeitschrift)
[13] https://kontrast.at/
[14] Katholische Kirche, Raiffeisen, NÖ Pressehaus, Styria Mediahaus, Horst Pirker
[15] Russ Media, Moser Holding, Wimmer Holding, Familie Fellner, Familie Dichand
[16] In dieser Grafik sind die TV Kanäle und Fernsehsender nicht aufgenommen worden, ebenso fehlt etwa der Exxpress, der als Online Medium eine nicht unbedeutende „Krawallinstanz“ darstellt. Geschäftsführerin und Financier ist Eva Schütz-Hiblinger, die gemeinsam mit ihrem Mann, Alexander im Dunstkreis von Sebastian Kurz und der türkisen Wende in der ÖVP öffentlich immer wieder erwähnt wurde.
[17] https://www.profil.at/oesterreich/ins-rechte-licht-alternativmedien-sind-kickls-krawall-organe/402631016
[18] https://de.wikipedia.org/wiki/AUF1

In einem etwas weiter weg gelegenem Umkreis dieser FPÖ Medienwelt, sind einige Medien und Plattformen zu erwähnen, die als Transporteure dieser Inhalte in die „andere Welt“ fungieren. Dazu gehören der Servus TV Sender [19]von Red Bull ebenso, wie der Exxpress[20] sowie die bereits genannten Boulevardmedien.
Früher war dieses Doppelspiel zwischen FPÖ Themen und Narrativen und der Kronen Zeitung ein Alleinstellungsmerkmal in Österreich und machte den früheren FPÖ Chef Jörg Haider erfolgreich. Mittlerweile sind die Ausgangsmedien der FPÖ wesentlich breiter und vielfältiger geworden, wie auch die „Abnehmermedien“, die sich der Spins und Themensetzung der FPÖ gerne bedienen und damit Reichweite erzielen.
Diese Boulevardisierung der Medienwelt in Österreich und dem fast unabhängigen FPÖ Medienuniversum, das zudem noch mit Facebook, Twitter, Tik-Tok Accounts und anderen Plattformen geschickt kommuniziert und verbunden ist, ist ein wesentlicher Faktor des steigenden Extremismus und der zunehmenden rechtsextremen Inhalte in der öffentlichen Diskussion.
Zum Abschluss wäre noch zu erwähnen, dass die Finanzierung dieser Parallelwelt hauptsächlich durch öffentliche Steuermittel erfolgt ist. Denn die FPÖ und deren einzelnen Unterordnungen, wie etwa das Freiheitliche Bildungswerk sind wesentliche Geldgeber und für den Aufbau dieser „alternativen“ Medienwelt verantwortlich. Freilich wird es Sponsoren aus Wirtschaft und Industrie geben und zahlreiche Kleinförderer. Aber der Großteil kommt aus der FPÖ selbst und diese finanziert sich zu einem guten Teil aus öffentlicher Parteiförderung und den Bildungsgeldern [21].
[19] https://de.wikipedia.org/wiki/ServusTV
[20] https://de.wikipedia.org/wiki/Exxpress
[21]https://www.profil.at/investigativ/fpoe-chats-wochenblick-unzensuriert-und-alles-roger-bitte-inserieren/402890489
Es geht jedoch nicht nur darum, welche Themen vorrangig behandelt werden, sondern auch darum, wie sie behandelt werden. Am Beispiel des Thema Migration/Asylpolitik lässt ich das ja immer gut nachvollziehen. Denn Missstände und diskussionswürdige Punkte beim Thema gäbe es ja genug. Das prangern ja auch andere Organisationen und Expert*innen an. Mittlerweile hat jedoch der flüchtlingsfeindliche, von Abwehr und militärischer Grenzsicherung geprägte Spin darin, das Thema fast vollständig ausgefüllt.
Das ist ein Erfolg der extremistischen Kräfte, die populistisch und mit Angstparolen, Gerüchten und Falschmeldungen auch die Mitte der Bevölkerung und Politik überzeugt hat, dass Flüchtlingsabwehr die einzige logische Lösung ist und wenn es sein muss auch mit militärischen Mitteln. Das beherrschte den amerikanischen Wahlkampf ebenso wie den französischen, den englischen und eben auch den österreichischen.
