Thema Extremismus III

Die Vierte Gewalt, die keine mehr ist?

Im zweiten Teil der Serie ging es um die digitale Revolution, die erhebliche Auswirkungen auf die öffentlich-politische Kommunikation hatte und den öffentlichen Meinungsbildungsprozess massiv beeinflusste und extremistische Tendenzen in der Gesellschaft erheblich förderte. Im folgenden dritten Teil werfen wir aber auch einen Blick auf die Medienlandschaft, die allgemein als wesentlicher Pfeiler von demokratischen Gesellschaften, als vierte Gewalt bezeichnet wird.

Wir müssen konstatieren, dass ein sachlich, demokratisch geführter, öffentlicher Diskurs nahezu nicht mehr möglich ist, ohne dass nicht Beschimpfungen, ein Shitstorm oder Gewaltaufrufe erfolgen und dieser massiv von Lobbygruppen und mächtigen Finanzgruppen beeinflusst wird. Betroffen sind davon insbesondere Minderheitengruppen, wie Migrant*innen, Mitglieder von LGBTIQ+ Gruppen aber vor allem auch Frauen, die in der Öffentlichkeit stehen bzw. sich öffentlich äußern. Thematisch sieht man das sehr gut am „Klimaschutz“, der sich in den letzten Jahren und Monaten von einem wichtigen zukunftsorientierten hin zu einem Aggressionsthema ins Gegenteil verkehrt hat und Parteien an die Macht befördert, die genau das Gegenteil von Klimaschutz betreiben.

1.4. Auswirkungen auf die Medienlandschaft

Medien werden generell als die Vierte Gewalt im Staate angesehen, neben der Exekutive, Legislative und Judikative. Sie sollten einerseits als kritisches Element in der Gesellschaft fungieren; also die anderen drei Gewalten kontrollieren und auf Missstände und Skandale in der Gesellschaft aufmerksam und öffentlich machen. Andererseits wurden sie immer als „Gatekeeper“ verstanden, als Türsteher, als Vermittler mit einer Ordnungsfunktion ausgestattet, die kontrolliert und entscheidet, was für die Öffentlichkeit, das Gemeinwohl und die politische Debatte wichtig ist und was nicht.

Tag für Tag werden allein nur in Österreich Tausende Agenturmeldungen verfasst. Nur ein Bruchteil davon kommt in die Nachrichten, sei es im Radio, in den Zeitungen oder im TV. Diese Aufgabe ist ein Aussonderungsprozess, in der im besten Falle dies von verantwortlichen Journalist*innen und in der Redaktionskonferenz des jeweiligen Mediums vorgenommen wird. Im besten Falle wird eine Agenturmeldung, die ausgewählt wurde, durch weitere Recherchen, Interviews, Meinungen, Stellungnahmen einholen usw. kontrolliert, erweitert und in einem Artikel/Bericht/Reportage dann veröffentlicht oder verworfen.

Diese Funktionen und die Rolle der Medien brauchen selbst auch wieder Kontrolle, weil sie ein mächtiges Instrument sind, um die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Darum haben manche Qualitätszeitungen auch eigene Ressorts, die sich der Medienkritik und der Kommunikationspolitik widmen und den eigenen Markt und das eigene Agieren darin, kritisch begleiten.

Ab Mitte der 1990er Jahre gerieten die Medienkonzerne und Zeitungsverlage zunehmend in die Kritik, durchaus aus unterschiedlichen Richtungen und zu Recht. Es entstanden Medienhäuser, die erstens den Profit in den Vordergrund stellten und zweitens politische Agenden vertraten, durch ihre Eigentümerschaft, die die Unabhängigkeit, Allparteilichkeit und die Qualität erschütterten.

Prinzipiell unterscheidet man in Boulevardmedien, Unterhaltungsmedien und Qualitätsmedien. In den letzten Jahrzehnten ist nicht nur das Segment des Boulevards größer geworden, diese haben auch immer mehr an Publikumsanteile an sich gezogen. Hinzu kamen eine neue Gattung von Zeitungstypen der Gratis-Trash Boulevardzeitungen. Sie sind noch stärker auf Skandalisierung und Emotionalisierung aus und scheuen auch vor Fake News nicht zurück. Ihr besonderes Merkmal ist, sie unterminieren den Bezahlmarkt, durch Gratisverteilung der Ausgabe. Oft erfolgt das mit Zustimmung und Unterstützung der Stadtverwaltung oder – wie etwa in Wien – mit den Wiener Lienen, die dafür eigene Boxen zur Entnahme ermöglichten.

Im Zusammenhang mit dem Aufkeimen des Internets, der Plattformen und der großen Player darin, kamen folgende Aspekte hinzu, die erhebliche Auswirkungen auf den analogen Medienmarkt nach sich zogen.

  • Zeitungen, Radios und TV speisen sich hauptsächlich aus Abonnent*innen, Werbeschaltungen und diverse öffentliche Förderungen (Publizistikförderung etwa). Alle dieser Aspekte erhielten digital massive Konkurrenz.
  • Die Zahlen der Abonnent*innen gingen in den letzten Jahrzehnten dramatisch zurück. Mitunter deswegen, weil die Informationen auch online verfügbar sind und über digitale Plattformen sich viel schneller verbreiten, als in den klassischen Medien. Die unterschiedlichen (Gegen-)Reaktionen der Medien darauf, führten nicht zum gewünschten Effekt. Die Tageszeitung „Der Standard“ etwa bietet seine Berichterstattung kostenfrei online an, hat daher eine große Leser*innenschaft im Netz, die aber kaum Erträge einbringt. Andere Zeitungen arbeiten mit Online Abos, die meisten Artikel sind daher nicht ohne Abo online verfügbar . Manche bieten einzelne wichtige Artikel im Netz als „Zuckerl“ an. 
  • Der Inseratenmarkt, ein wichtiges Element für Medienerzeugnisse, steht erheblich unter Druck, weil die online Werbung immer präsenter wird und daher viele Geldmittel zu multinationalen Konzerne abfließen (Google, YouTube, Apple, Microsoft, Facebook, etc.). Die Konkurrenz wird dabei immer größer.
  • Die öffentlichen Subventionsmittel wurden nicht in dem Maße größer, wie das Minus sich bei den Verlagen und Häusern widerspiegelte. In den letzten Jahren wurden daher Formen der politischen Mittelvergabe an öffentlichen Geldern immer stärker. Die verschiedenen öffentlichen Stellen und Ministerien inserierten in Zeitungen, schalteten öffentlichen „Verlautbarungen“. Da die Regeln dafür diffus sind, kamen gerade jene Gratiszeitungen und generell der Boulevard, mit minderer journalistischer Qualität in den vermehrten Genuss von öffentlichen Inseraten.

Dabei stellte sich heraus, dass es für die Zuwendungen auch Gegenleistungen gab, die zwar nicht offen kommuniziert wurden, jedoch im Zuge von Recherchen zu Tage traten. Diese Gegenleistungen waren wohlwollende Berichterstattung, übermäßig viel Platz für Meldungen und die positive Präsentation von Politiker*innen, denen man den Geldsegen verdankte. Dieses enge Austausch- und Abhängigkeitsverhältnis trugen nicht zum Vertrauen in die analogen Medien bei und schadet auch den seriösen Qualitätsmedien. Dieser Prozess wird als Inseratenkorruption verhandelt und ist auch bei der Justiz anhängig.

  • Viele der Boulevardzeitungen würden längst nicht mehr existieren, wenn sie nicht von mächtigen Gruppen (mit eigenen Interessen) und von der Politik als angebliches „demokratischepolitische Notwendigkeit“, um die Meinungsvielfalt zu erhalten, gestützt werden würden.
  • Dies führt aber gleichzeitig auch zu weitreichenden Möglichkeiten der Beeinflussung von öffentlicher Meinung. Die öffentliche Hand hat die Möglichkeit durch Presse-, Publizistikförderung zu unterstützen, durch Druckostenbeiträge, Medienpartnerschaften (etwa bei diversen Sportevents) und durch Inserate. Das Inseratenaufkommen ist in den letzten Jahren erheblich gestiegen.

Nicht nur, dass einzelne Interessensgruppen und Parteien in Zeitungen inserieren, auch die einzelnen Ministerien können Inserate schalten, im Dienste des öffentlichen Interesses. Was „im Dienste des öffentlichen Interesses“ jedoch ist, das wurde elastisch ausgelegt; und so war zwischen Parteiwerbung, Wahlwerbung und Personenwerbung oft nicht mehr zu unterscheiden. Mit diesen Inseraten von offizieller Seite wurden oft auch Deals abgewickelt, die eine wohlwollende Berichterstattung zum Ziel hatte. Bekannt wurde dabei das sogenannte „Beinschab Tool“; eine Dreiecksbeziehung zwischen Wissenschaft (Umfragenmanipulation), Politik (Wahlkampf für Kurz-ÖVP) und Medien (Fellner Gruppe/Oe24), das noch dazu mit Steuergeldern finanziert wurde[1]

  • Der Druck auf den analogen Markt führte auch dazu, dass die Qualität sank. Aufgrund der ökonomischen Rahmenbedingungen reagierten viele Redaktionen mit dem Abbau von Mitarbeiter*innen. Die früher verschieden geführten Redaktionen von Print und Online wurden zusammengeführt, mit weitaus weniger Personal.  Viele Journalist*innen berichten, dass durch den Abbau von Personal kaum mehr Zeit für Recherchen, geschweige denn Einarbeiten in ein Thema, möglich ist.

Vorgefertigt Pressetexte von Interessengruppen, Parteien oder PR-Agenturen sind daher oft die einzige Chance, die Arbeit leisten zu können. Auf der anderen Seite stehen oft ganze Heerscharen von Presseleuten zur Verfügung, die ihre Nachrichten, nach ihrem Gutdünken den Zeitungsredakteur*innen zu schicken, sie anrufen und briefen.

  • Die klassischen Meldungen über Aktuelles werden in der Regel über Netzwerke und Plattformen viel schneller verbreitet, als dies die online Zeitungsredaktionen machen könnten, wenn sie ihren journalistischen Standards entsprechen wollten. Daher ist das Netz bei Großereignissen, wie etwa Unfällen, Terroranschlägen, Katastrophen bereits übervoll mit Fotos, Videos und „Behauptungen“, die sich im Nachhinein oft als Falschmeldung erwiesen, bevor noch eine offizielle Nachrichtenredaktion „Breaking News“ bekannt geben konnte. Besonders krass war dies im Falle des Amoklaufes in München 2016. Wilde Gerüchte setzten die ganze Stadt in Aufruhr und Panik und führte zu 32 Verletzten[2].
  • Es steht zu befürchten, dass in den nächsten Jahren weitere Medienprodukte entweder eingestellt werden, oder weiter an Qualität verlieren.
  • Manche Zeitungen steuerten diesem Trend entgegen, in dem sie verstärkt auf Qualität setzten und ihren Schwerpunkt auf Hintergrund, Recherchen und Investigativjournalismus legten, was ja nicht weniger Personal, sondern mehr erforderte. Das wurde vom Publikum durchaus honoriert. Die wirtschaftliche Situation jener Medien, die diesen Weg gingen, stabilisierte sich damit. Ob dies aber längerfristig zu einem Erfolgsrezept führt, muss abgewartet werden und ist sicherlich nur für einen bestimmten Anteil von Medienprodukten im Mediensektor relevant. Der „Spagat“ als Tageszeitung, einerseits täglich zu liefern, andererseits auf umfangreiche Recherche und Hintergrund zu setzen, ist kostenintensiv.
  • Aus dieser Situation heraus entstanden auch vermehrt Kooperationen zwischen Verlagen und Sendestationen, insbesondere wenn es sich transnationale Recherchen handelte, wie etwa beim Ibiza Skandal[3] – in der Süddeutsche Zeitung mit dem Spiegel und dem Falter zusammenarbeitete – oder den Panama Papers[4].
  • Die in der Demokratie so wichtige Funktion der Medien wurde auch durch eigene systemimmanente Entwicklungen sukzessive angegriffen und ausgehöhlt. Einerseits durch tatsächliche problematische Verstrickungen und unsaubere Arbeiten von Medienprodukten, andererseits durch gezielte Desinformationen und Verleumdung, die den Medien und vor allem auch dem ORF und anderen öffentlichen Fernsehanstalten in Europa, unterstellten, dass sie entweder unter jeweiligem Regierungskuratel stehen würden, bzw. durch Lobbys beeinflusst wären und daher wichtige Nachrichten unterdrücken würden[5].

[1] Eine ausführliche Beschreibung der Vorgänge finden Sie unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Sabine_Beinschab

[2] Nähere Beschreibung unter: https://de.wikipedia.org/wiki/Anschlag_in_M%C3%BCnchen_2016

[3] https://hdgoe.at/ibiza_affaere

[4] https://www.icij.org/investigations/panama-papers/

[5] https://oe1.orf.at/artikel/700708/Schwarzes-Ende-einer-ORF-Karriere

1.5. Alte Ordnungen wirkten lange nach

Der österreichische Medienmarkt weist mehrere Besonderheiten auf. Zum einen ist er generell klein, aufgrund der Größe des Landes. Daher ist auch die Medienbranche relativ übersichtlich, was dazu führt, dass jede jeden kennt. Wien hat als Großstadt eine herausragende Position. Die mediale Konzentration ist auf das Geschehen in Wien gerichtet.

Der Markt war durch die Besatzungszeit (1945-1955) besonders geregelt. Im Osten, der damaligen Sowjetzone gab es Parteizeitungen (Tagespost, Neue Zeit/Arbeiterzeitung, Volksstimme/Wahrheit). In den Alliierten Zonen (Frankreich, GB, USA) wurde jeweils ein zentrales Medium errichtet (Salzburger, Oberösterreichische, Vorarlberger Nachrichten und Tiroler Tageszeitung). Diese Teilung und Ordnung wirkte lange nach, bis in die 1990er Jahre.

Der Kurier wurde von der US-Verwaltung in Wien gegründet und diente der Verbreitung der US-Nachrichten bzw. Propaganda. Am Ende der US-Besatzungszeit wollten die Amerikaner den „Wiener Kurier“ einstellen, das wurde jedoch durch österreichische Interessenten im Dunstkreis des konservativen ÖAAB – Österreichischer Arbeiter und Angestellten Bund verhindert[6].

Die Presse, bereits 1848 gegründet, jedoch 1896 eingestellt, da ein Konkurrenzblatt – die Neue Freie Presse – aus der Taufe geholt worden war, erschien 1946 wieder, als Wochenzeitung und 1948 als Tageszeitung. Ursprünglich als liberale Qualitätszeitung etabliert, positionierte sie sich als katholisch orientierte, bürgerlich-konservative Zeitung, die eng mit Fritz Molden in Verbindung stand[7]. 1965 erwarb die Bundeswirtschaftskammer einen Großteil der Zeitung. 1991 übernahm der steirisch-katholische Styria-Verlag Mehrheitsanteile.

Die Kleine Zeitung, die im Jahre 1904 erstmals erschien, ist eine dezidiert regional verankerte Tageszeitung, die ihr Kerngebiet im Süden Österreichs (Steiermark und Kärnten) sah und sieht. Ihre Ausrichtung war auch auf regionale Aspekte ausgerichtet, ihre Ausgaben beinhalteten immer auch Bezirksnachrichten. Dies drückt sich auch darin aus, dass die Kleine Zeitung Redaktionen in Bezirksstädten unterhielt. Heutzutage ein absolutes Novum und etwas aus der Zeit gefallen. Auch sie steht dem konservativ-katholischen Lager nahe bzw. ist im Besitz der katholischen Kirche[8]. 1938 wurde die Kleine Zeitung von SA Sturmtruppen besetzt, übernommen und in die NS Propagandamaschine eingegliedert.

Auch die „Kronen Zeitung“ besitzt Wurzeln zurück ins Jahr 1900, erschien mit mäßigem Erfolg bis 1944 und wurde 1959 erneut aus der Taufe geholt. Hans Dichand, der beim Kurier Chefredakteur war, kaufte die Anteile unter nicht ganz geklärten Umständen, woher das Geld kam[9]. Zumindest ist gesichert, dass die Anfänge mit dem ÖGB zu tun hatten. Franz Olah, hoher Gewerkschaftsfunktionär habe Bürgschaften mithilfe Gewerkschaftsgelder bereitgestellt. Dies kam im Zuge eines Rechtsstreites und der Verurteilung Olahs zu Tage.

Schließlich muss noch die Wiener Zeitung erwähnt werden, die überhaupt die älteste Zeitung in Österreich war. 1703 als „Wienerisches Diarium“ erstmals erschienen, wurde sie ab dem Jahre 1852 von Staat herausgegeben und diente als Verlautbarungs- und Amtsblatt, entwickelte jedoch eine bemerkenswerte Kultur- und Wissenschaftsberichterstattung.

„Unter dem Nationalsozialismus (bis zur Einstellung am 29. Februar 1940) blieb der „Wiener Zeitung“ nur der Charakter eines Amtsblatts erhalten[10]. Nach dem 2. WK erschien die Wiener Zeitung wieder als Tageszeitung, behielt ihren Amtsblattteil. Mit der Aufhebung der Veröffentlichungspflicht von Unternehmen im Amtsblatt der „Wiener Zeitung“ verlor das Blatt eine wesentliche Einnahmequelle. Trotz zahlreicher Proteste beschloss die Regierungsmehrheit aus ÖVP und Grüne im Nationalrat das Erscheinen der Printausgabe mit 30. Juni 2023 einzustellen. Die Marke „Wiener Zeitung“ bleibt derzeit noch als Online-Medium erhalten[11].


[6] https://de.wikipedia.org/wiki/Kurier_(Tageszeitung)

[7] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Die_Presse

[8] https://de.wikipedia.org/wiki/Kleine_Zeitung

[9] https://de.wikipedia.org/wiki/Kronen_Zeitung

[10] https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Zeitung

[11] https://www.geschichtewiki.wien.gv.at/Wiener_Zeitung