Spiel mit dem Leben Anderer Teil 2, Kapitel 2

 

Migrationsbewegungen in Österreich nach dem 2. Weltkrieg

Eingedenk der Tatsache, dass Migration immer schon lebendiger Teil der österreichischen Geschichte war und ist, wir aber gleichzeitig nicht zu weit zurück in die Geschichte gehen wollen, setzen wir mit unserer erzählung bei einer markanten Zeitenwende ein; mit der Wiederauferstehung der österreichischen Nation und dem Ende des 2. Weltkrieges.

Es sei dabei erinnert, dass nach dem 2. Weltkrieg viele tausende Flüchtlinge, Vertriebene, Kriegsgefangene und sogenannte Displaced People sich in Österreich befanden oder durch das zerstörte Europa zogen (näheres dazu: Spiel mit dem Leben Anderer Kapitel 1, Teil 1, Abschnitt 1).

Es folgten zehn Jahre Besatzungszeit und schließlich die Wiederherstellung der Souveränität Österreichs im Jahre 1955. Nach dem Abzug der Signatarmächte ging es Schlag auf Schlag. 1956 gab es bereits die erste große Flüchtlingsbewegung aus Ungarn. Die Wirtschaft erholte sich zusehends, auch mit den Starthilfen und Unterstützungen des Marshall Plans[1].  Die positive Entwicklung Österreichs drückte sich auch wirtschaftlich aus und so entstand bald Vollbeschäftigung und ein steigendes Bruttoinlandsprodukt. Dies führte Anfang der 1960er zu Arbeitskräftemängel, in vielen Ländern Europas.

Die Anfänge

Ein prägendes Datum für diese neue Ära der Migrationsgeschichte der Zweiten Republik ist das Jahr 1962. Am 17. Jänner 1962 – also vor mittlerweile 60 Jahren – …  

…vereinbarten die Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft und der Österreichische Gewerkschaftsbund (ÖGB), Kontingente für die Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte zu schaffen. Damit wurde eine, wenn auch vorerst noch kontrollierte, (sic!) Liberalisierung des Arbeitsmarktes eingeleitet (Parnreiter 1992, S. 70).

Das besondere an der als Anwerbeabkommen bezeichneten gezielten Rekrutierung war nicht, dass in Zeiten des Wirtschaftsaufschwungs nach Arbeitskräften gesucht wurde, das taten nahezu alle prosperierenden Staaten, insbesondere die Bundesrepublik Deutschland, aber auch Frankreich, Belgien, Holland; die österreichische Besonderheit lag darin, dass die Sozialpartnerschaft die Regeln vereinbarte, denn ein vom Parlament beschlossenes Gesetz zur Beschäftigung ausländischer Arbeitskräfte gab es nicht. Dieses folgte erst 1974.

Die Sozialpartnerschaft ist eine herausragende österreichische Besonderheit. Unbestritten ist ihr großer Einfluss auf die Ausgestaltung der Anwerbepolitik, auf die spätere Ausformulie-rung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslbG 1975) und auf dessen folgenden Novellen.

Die österreichische Sozialpartnerschaft ist eine informelle, also nicht durch Gesetze geregelte Zusammenarbeit der wichtigsten Arbeitgeber*- und Arbeitnehmer*innenorganisationen untereinander und mit der österreichischen Bundesregierung. Ihr Ziel ist es, durch Konsens für alle Beteiligten akzeptable Lösungen in Wirtschafts- und Sozialthemen zu erreichen. Vor allem bei Lohnverhandlungen (z.B. Aushandlung von Kollektivverträgen) haben die Sozialpartner eine besonders wichtige Rolle. (Polipädia 2013[2])

Was ursprünglich für die Sicherung der Lohn-Preisstabilität in den 1950ern gegründet wurde, breitete sich, auch aufgrund des Erfolges, in weitere Folge in nahezu alle Politikbereiche Österreichs aus.

Zurück zur Anwerbung von Migrant*innen. Die Arbeitskräfte sollten befristet im Land bleiben, so die Intention der Regierung und der Sozialpartnerschaft. Man wollte keine Einwanderung, die rekrutierten „Fremdarbeiter*innen“, so die ursprüngliche Wortwahl, sollten das Land nach einiger Zeit wieder verlassen. Dazu wurde das sogenannte Rotationsprinzip etabliert (Münz, Zuser, Kytir 2003, S. 22). Es sollte zur Deckung der Arbeitskräftespitzen dienen und die ausländischen Arbeitskräfte sollten nach wenigen Monaten, Jahren das Land wieder verlassen.

In einem Begutachtungsverfahren, das zwischen Sozialpartnern und Sozialministerium vereinbart wurde, stllte man sicher, dass die ausländischen Arbeitskräfte versichert waren und eine Unterkunft vorweisen konnten, bevor sie zu arbeiten begannen. Im Abkommen nahm weiters die „Lage des Arbeitsmarktes“ eine zentrale Stellung ein. Damit sicherten sich die Sozialpartner den Einfluss auf die Kontingente – sprich den Zuzug, und konnten, je nach Lage am Arbeitsmarkt steuernd eingreifen. Im ursprünglichen „Raab-Olah“ Abkommen[3] war die Anwerbung von insgesamt 47.000 Arbeitskräften vereinbart worden (siehe auch Gächter, 2008).


[1] https://hdgoe.at/marshallplan

[2] http://www.polipedia.at/tiki-index.php?page=Sozialpartnerschaft

[3] Benannt nach den beiden Präsidenten der Wirtschaftskammer – Julius Raab und des Gewerkschaftsbundes Franz Olah.

Gastarbeiter*innen kamen

Erst nach und nach begann der Zuzug von „Gastarbeiter*innen“[4]. Es war anfangs gar nicht so leicht, junge Arbeiter*innen zur Migration zu bewegen. 1964 wurde ein Anwerbeabkommen mit der Türkei abgeschlossen ( Özbaş, Hainzl, Özbaş 2014), zwei Jahre später 1966 erfolgte das gleiche mit dem damals noch existierenden Staate Jugoslawien (siehe auch Özbaş, Hainzl, Özbaş 2016)[5].

Bis zum Jahre 1973 erreichte die Gastarbeiter* innenbeschäftigung mit 226.000 Personen schließlich einen vorläufigen Höhepunkt (Faßmann 1992, S. 102). Das Rotationsprinzip, das Grundlage für das Abkommen war, kam bis 1973 praktisch nicht zur Anwendung, da Arbeitskräfte, die bereits länger im Land waren, nicht weggeschickt wurden, sondern durch Verlängerung des Aufenthaltes blieben und „Neue“ mühelos Arbeit fanden. Erst mit dem „Ölschock“[6] und der Wirtschaftskrise ab 1973, die ganz Westeuropa erfasste, traten die ersten Reibungspunkte und Widersprüche auf.

Der Begriff Gastarbeiter*innen wird zwar als abwertend wahrgenommen, traf die damals herrschende Vorstellung jedoch gut. Man wollte sie als Gäste solange haben, wie sie nützlich waren. Wollte aber sicher gehen, dass man sie dazu zwingen konnte, jederzeit das Land wieder zu verlassen.

Ein erster Knick

Als Erstes spürten – so wie geplant – die ausländischen Arbeitskräfte die veränderten Bedingungen am Arbeitsmarkt. Aufgrund der zuvor genannten Regeln, die ja dazu da waren, die „Gastarbeiter*innen“ bei Bedarf wieder abbauen zu können, wurden viele von ihnen entlassen. Dies bedeutete aufgrund des Abkommens, dass mit der Entlassung auch der Aufenthalt, der Wohnsitz und schließlich auch der Aufenthalt verloren gingen. Für viele der ausländischen Arbeitnehmer*innen wurde dieser geplante Vorgang genau so ab, wie es die Sozialpartner in ihrem Abkommen geplant hatten. Sie mussten das Land verlassen (Parnreiter 1992, S. 77).

Besonders stark betraf der Abbau jugoslawische Arbeitskräfte; 1973 waren 178.134 registriert. Solange es den gemeinsamen Staat Jugoslawien gab, bedeutete dies den Höchststand[7]. 1979 waren es nur mehr 114.690. Auch die zweite große „Gastarbeiter*innengruppe“ – die Türk*innen – betraf der Rückbau, jedoch bei Weitem nicht so stark. 1974 waren 29.999 türkische Arbeitnehmer*innen registriert, 1976 registrierte man 24.616 (Münz, Zuser, Kytir 2003, S. 20-61).

Von 1974 bis 1975 wurden etwa 25 Prozent der damals 225.000 Beschäftigten abgebaut – das waren immerhin 51.000 Personen. Ein nicht gerade geringer Teil jedoch hatte sich in den Jahren Ansprüche in Österreich erarbeitet (z.B. Arbeitslosengeld) und ein Aufenthaltsrecht erworben. Daher waren 1975 noch immer 175.000 Beschäftigte auf Grundlage des inzwischen beschlossenen Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslbG) im Land. Viele davon hatten längst ihre Familie nachgeholt, hier Kinder bekommen (Gächter 2008, S. 7-8).

Die Rolle der Sozialpartner

Für die Wirtschaft und deren Vertreter war vor 1973 die Position klar: Arbeitskräfte waren Mangelware, heiß begehrt und dringend gebraucht. Die fehlenden Arbeitskräfte drohten den Wirtschaftsaufschwung zu drosseln. Je schneller, einfacher und billiger sie ins Land geholt werden konnten, desto besser, so die Argumentation der Wirtschaft. Dies setzte jedoch die Arbeitsbestimmungen und die Rechte der inländischen Arbeitnehmer*innen und auf das Lohnniveauunter Druck ausübte, wurde rasch deutlich (Parnreiter 1992, S. 80). Daher drängten die Gewerkschaften darauf, Regeln einzuführen und einen unkontrollierten Zulauf von „billigen Arbeitskräften“ zu zügeln und die Regeln zu kontrollieren und ein Instrument in der Hand zu haben, bei Bedarf die Regeln anzupassen und eingreifen zu können.

[4] Anfangs wurde in den Dokumenten noch von Fremdarbeitern gesprochen.

[5] Beide Bücher sind die wissenschaftlichen Grundlagen und Recherchen zu den jeweiligen Ausstellungen „Avusturya! Österreich!“ und „Unter fremden Himmel“, die vom Verein  Jukus konzipiert und umgesetzt wurde. [https://www.volkskundemuseum.at/avusturya_oesterreich_50_jahre_tuerkische_gastarbeit_in_oesterreich_]

[6] Der Begriff fand umgangssprachlich Eingang in das kollektive Gedächtnis. Damit wird die erste wirtschaftliche Rezession ab 1973 bezeichnet, die durch eine bewusste Öldrosselung der OPEC Länder infolge des Jom-Kippur Krieges ausgelöst wurde. Siehe auch:

[http://www.zeitklicks.de/top-menu/zeitstrahl/navigation/topnav/jahr/1973/oelkrise-oelembargo/]

(27.10.2022)

[7] Nach dem Zerfall Jugoslawiens wurden die anwesenden Migrant*innen den einzelnen Nachfolgestaaten zugeordnet, die umgangssprachlich den drei großen Ordnungen B-K-S: Bosnien-Kroatien-Serbien zugeordnet wurden.

Aus Sicht des ÖGB, der Gewerkschaftsbewegung stellten sowohl das Anwerbeabkommen als auch später das Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslbG) einen „Schutzwall“ gegen den „Ansturm einer industriellen Reservearmee“ dar. Die inländischen Arbeitnehmer*innen und deren Löhne und Rechte – so der Standpunkt – sollten und mussten vor diesem Ansturm geschützt werden. Damals war der Gewerkschaftsbewegung bange um die gerade erst mühsam erkämpften Arbeitsrechte und Löhne, wenn zu viele und zu rasch Arbeitskräfte ohne rechtlicher Verbindlichkeiten ins Land geholt wurden. Daher auch die Bindung im AuslBG „Job – Wohnung – Bewilligung“ (Gächter 2008, 5 ff).

Später mit den verschiedenen Phasen des wirschaftlichen Abschwungs, entwickelte die Gewerkschaftsbewegung geradezu eine reflexartige Angst, dass bei wirtschaftlichem Abschwung und Arbeitsplatzrationalisierungen der Neuzuzug von Migrant*innen die Lage am Arbeitsmarkt prinzipiell verschärfe.

Die langjährigen Beobachtungen und Forschungsergebnisse dazu zeigen, dass in bestimmten Branchen und Bereichen – vor allem in den an- und ungelernten Niedriglohnbranchen – sich tatsächlich ein verschärfter Konkurrenzkampf bei knappen Arbeitsplätzen entspinnt. Dieser ist jedoch vielmehr der Tatsache geschuldet, dass langjährig im Land befindliche Migrant*innen aufgrund der ethnischen Segmentierung und den gesetzlichen Ausschlußmechanismen, gerade durch das AuslbG, vor dieser neuen Konkurrenz Angst haben müsen und der Austausch zwischen „alten“ und „neuen“ Migrant*innen viel häufiger passiert (Faßmann 1992, S. 107 ff.).

Denn das AuslbG ist in der Tat ein Gesetz, das die Struktur der Zuwanderung ordnete und die Migrant*innen in ganz bestimmte „schlecht bezahlte, schwere und gefährliche Arbeit“ zwang und somit gesetzlich legitimierte und ordnete (Siehe auch Gächter 1992).

Das AuslbG

Im AuslbG wurde der Zugang ausländischer Arbeitskräfte zum österreichischen Arbeitsmarkt geregelt, eine dauerhafte Perspektive für Migrant*innen in Österreich war jedoch nicht vorgesehen.

Das AuslbG war somit seiner Grundkonzeption nach eindeutig kein „Einwanderungsgesetz“ in dem Sinn, dass es eine Zuwanderung von Arbeitskräften und ihrer Familien unter einer Dauerperspektive geregelt hätte;<…> (Nowotny 2006, S. 48)

Zwar schien es zunächst, dass vorrangig ÖGB und Arbeiterkammer in der Frage der Ausländerbeschäftigung ihre Positionen durchsetzen konnten, im Laufe der Jahre wurde aber deutlich, dass das Primat der wirtschaftlichen Nützlichkeit stärker zum Tragen kam und Migration in der Folge eng an die „wirtschaftlichen Gegebenheiten – sprich Forderungen der Wirtschaft“ – geknüpft wurde. Von Integration war in diesen Perioden keine Rede.

Das AuslbG ist so formuliert, dass es – und zwar genau durch die vermeintlichen Schutz-bestimmungen – Abhängigkeit der ausländischen Beschäftigten produziert.

Das AuslbG verfolgte in der ersten, 1975 erlassenen Fassung noch strikt das Prinzip, dass die Bewilligung nur dem Arbeitgeber erteilt wird und ihm die Funktion als „Herr des Verfahrens“ zukommt (Nowotny 2006, S. 48).

Ging der Arbeitsplatz verloren, so wurde dies für die Beschäftigten nach dem AuslbG zu einer existenziellen Bedrohung. Dramatisch wurde diese Situation, wenn die Beschäftigten arbeitslos wurden und damit lediglich sechs Monate Zeit[8] hatten, wieder einen Job zu bekommen. Dies führte zu einer erhöhten Bereitschaft, Jobs jedweder Art anzunehmen.

Die rechtlichen Regelungen im österreichischen Aufnahmesystem für Drittstaatsangehörige bewirken, daß (sic!) „Gastarbeiter“ nicht einfach Arbeiter (oder Angestellte) sind, sondern daß (sic!) sie als eine quasirechtliche vierte Kategorie neben Beamten, Angestellten und Arbeitern fungieren. Ihre wesentliche Eigenschaft ist eine durch Zwang hergestellte erhöhte „Arbeitswilligkeit“. Sie äußert sich vor allem in der Bereitschaft, unzureichende Arbeitsplätze zu akzeptieren und dann auch in diesen zu verbleiben, und zwar auch dann, wenn diese sich im Laufe der Zeit weiter verschlechtern (Gächter 1995, S. 13).

Während die Zahl der ausländischen Beschäftigten zwischen 1974 und 1984 um rund 40% zurückging, blieb die ausländische Wohnbevölkerung weitgehend konstant. Der Familiennachzug zu den in Österreich verbliebenen ArbeitsmigrantInnen (sic!) kompensierte die Rückwanderung derer, die ihren Arbeitsplatz verloren hatten oder sich zur Rückkehr gedrängt fühlten. <…> Der Frauenanteil stieg zwischen den Volkszählungen 1971 und 1981 von 39,4% auf 44,4 % an, der Anteil der Kinder unter 15 Jahren erhöhte sich in diesem Zeitraum von 14,8% auf 22,5% (Faßmann, Stacher 2003, S. 23).


[8] Personen, die nicht österreichische Staatsbürger*innen sind, haben keinen Anspruch auf Notstandshilfe (jetzt Grundsicherung) und können nur den Anspruch auf die Arbeitslosenunterstützung erwerben.

Auffällig ist, dass im Gegenzug zu der asyl- und fremdenrechtlichen Flut von Novellen und Neuregelungen, das Ausländerbeschäftigungsgesetz – abgesehen von kleinerer Adaptierungen, Einführung von Quoten (10%) und Assoziationsabkommen, etwa mit der Türkei – im wesentlich auch heute noch so funktioniert, wie es 1975 beschlossen worden ist.

Die wesentlichen Regelungen des AuslbG.:
  1. Die Beschäftigungsbewilligung (BB): „Der Arbeitgeber“ stellt einen Antrag für einen „Ausländer“, für einen ganz bestimmte Position an einem Ort zu kollektivvertraglicher Entlohnung. Der „Ausländer“ muss eine Wohnung vorweisen und sein Aufenthalt muss gesichert sein.
  2. Wenn der „Ausländer“ im Rahmen von 14 Monaten 12 Monate Beschäftigung nachweisen kann, dann kann er selbsttätig eine Arbeitsbewilligung beantragen. Diese Arbeitsbewilligung wird auf das Bundesland erweitert, auf 2 Jahre erhöht und ist nicht mehr an die einzelne Firma, den bestimmten Job als Grundlage für die BB gebunden. Diese Arbeitsbewilligung kann zweimal verlängert werden.
  3. Danach kann ein Befreiungsschein ausgestellt werden (5 Jährige Beschäftigung), der De-facto die Befreiung vom AuslbG bedeutet.

Schwierig wird es, wenn die Beschäftigungslaufbahn nicht so klar und eindeutig verläuft, wie dies gesetzlich gedacht ist. Wenn also Arbeitslosenzeiten dazwischen sind, die Person wieder ausgereist ist und dazwischen nicht in Österreich war usw.

Obwohl das AuslbG – wie zuvor erwähnt – nie ein Einwanderungsgesetz war und sein sollte, so konstitutierte es doch nachhaltig die Zuwandererpopulation, in dem es diese in rechtliche Ausnahmezustände hielt und in bestimmte Positionen und Berufe drängte. Bewilligungen wurden und werden nämlich überwiegend für ungelernte und angelernte Kräfte erteilt und in ganz bestimmten Branchen (Bau- und Baunebengewerbe, Dienstleistung und Gastronomie) konzentriert.

Folgen des AuslbG

Mit dem AuslbG ging auch das Thema der Dequalifizierung einher, das in Österreich in den letzten Jahren hinreichend dokumentiert wurde (u.a. Gächter 2012, 44 ff). Ausländische Berufsqualifikationen wurden im Zuge der Antragstellungen sehr oft nicht anerkannt. Die Personen konnten daher nur in Hilfs- und angelernten Positionen beginnen. Besonders deutlich und offensichtlich wurde das im Baugewerbe, wo gelernte Handwerker*innen (z.B. Maurer) nur als Hilfsarbeitende eingestellt oder Pflegekräfte, als Hilfspfleger*innen eingesetzt wurden, was natürlich enorme finanzielle Vorteile für die Arbeitgeber*innen hatte.

In all den Jahren der Zuwanderungsgeschichte gab es immer wieder Phasen der Öffnung des Arbeitsmarktes, die sich mit Restriktionen abwechselten. Das AuslbG sieht eine Prüfung des Arbeitsmarktes – etwa wenn BB bewilligt werden – vor. Daher gibt es im AuslbG eine Liste (Kategorien), eine Hierachie von Zugangsberechtigungen. Auf dieser Liste an erster Stelle stehen die Österreicher*innen, dann kommen die anerkannten Flüchtlinge (die mit einem positiven Bescheid vom AuslbG ausgenommen sind), die Befreiungsschein-inhaber*innen usw.

Am Ende der Liste stehen auch Asylwerber* innen, die von Gesetzes wegen nicht prinzipiell vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen sind. Wenn die Wirtschaft floriert und Arbeitskräfte  gesucht wurden, so gab es auch immer wieder Lockerungen in denen Asylwerber*innen eine BB erhielten, so etwa in den frühen 1990ern.

Durch eine EU-Richtlinie im Jahr 2003 [9] wäre der Arbeitsmarkt prinzipiell auch für Asylwerber*innen geöffnet worden, wenn ihre Asylverfahren länger als sechs Monate dauerten. Um diese Richtlinie in Österreich nicht umsetzen zu müssen, hat der damalige Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit Martin Bartenstein/ÖVP (Bartensteinerlaß 2004) einen Erlaß herausgegeben, der den Asylwerber*innen die Arbeit (außer als Erntehelfer*innen, Saisonniers und in gemeinnützige Hilfstätigkeiten) verbietet.

Erst im Jahr 2021 wurde der „Bartensteinerlaß“ vom Verfassungsgerichtshof (Vfgh)[10] gekippt. Im Juli 2021 hat der amtierende Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft Martin Kocher das Gerichtsurteil umgesetzt. Jedoch stellte er in der Veröffentlichung des neuen Erlasses klar, dass es weiterhin keinen generelle Zugang von Asylwerber*innen geben werde, denn Inländer*innen, Asylberechtigte und Subsidiär Schutzberechtigte seien vorrangig zu vermitteln[11].  Die strengen Praxis und genaue Prüfung des jeweiligen Falles und der „konsequenten Arbeitsmarktprüfung“ würde beibehalten werden.

Die Bedeutung des AuslbG ist in den letzten Jahren geschwunden. Wie es a Mitte der 1990er weiterging, davon berichtet der folgende Teil der Serie im November.


[9] Richtlinie zur „Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern“, Brüssel 2003

[10] https://www.vfgh.gv.at/medien/Beschaeftigungsbewilligungen_fuer_Asylwerbende.php

[11] https://orf.at/stories/3221106/

Literatur:

Faßmann, Heinz; Stacher, Irene (Hg.): Österreichischer Migrations- und Integrationsbericht, Drava Verlag, Celovec/Klagenfurt – Wien, 2003

Gächter, August: Auswirkungen einer allfälligen Osterweiterung der Europäischen Union auf die Zuwanderung nach Österreich und auf die Akzeptanz von Zuwanderern“, IHS, Wien 1995

Gächter, August: „Migrationspolitik in Österreich seit 1945“. Arbeitspapiere Migration und soziale Mobilität, Nr.12. Wien 2008.

Gächter, August: Was braucht eine Gesellschaft, die fit sein soll für Einwanderung? S. 42 – 50. In: Ikemba (Hg.): „Fit für Vielfalt?“ Tagung anläßlich des 5-jährigen Bestehens des Vereins Ikemba, Tagungsdokumentation. Eigenverlag Graz, 2012

Münz, Rainer; Zuser, Peter; Kytir, Josef: Grenzüberschreitende Wanderungen und ausländische Wohnbevölkerung: Struktur und Entwicklung. In: Fassmann, Heinz; Stacher, Irene (Hg.): Österreichischer Migrations- und Integrationsbericht, Drava Verlag, Celovec/Klagenfurt – Wien, 2003

Nowotny, Ingrid: Das Ausländerbeschäftigungsgesetz: Die Regelung des Zugangs von AusländerInnen zum österreichischen Arbeitsmarkt. S. 47 – 73. In: Fassmann, Heinz (Hg.): 2. Österreichischer Migrations- und Integrationsbericht, Drava Verlag, Celovec/Klagenfurt – Wien, 2006

Özbaş, Ali; Hainzl, Joachim; Özbaş Handan (Hg.): 50 Jahre türkische Gast(?)arbeit. Wissenschaftliche Analysen, Lebensgeschichten. Leykam Verlag, Graz 2014.

Özbaş, Ali; Hainzl, Joachim; Özbaş Handan (Hg.): 50 Jahre jugoslawische Gastarbeit in Österreich. Clio Verlag, Graz 2016.

Parnreiter, Christoph: …Alle Arbeitskräfte des Erdrunds. In: Prader, Thomas (Hg.): Moderne Sklaven, Promedia Verlag, Wien 1992.

Payer, Peter: „Gehen Sie an die Arbeit“ Zur Geschichte der „Gastarbeiter in Wien 1964 – 1989, 40 Jahre Arbeitsmigration, Wien 2004.