In der Ausgabe der Zeitschrift ZEBRATL 3/2012 erschien folgender Artikel zum derzeit laufenden Forschungsprojekt.
Mig2eb
MigrantInnen als Fachkräfte in der Erwachsenenbildung
Im Juni 2012 startete das Forschungsprojekt „mig2eb – Angehörige der 2. Generation von MigrantInnen als Fachkräfte in der Erwachsenenbildung“, welches vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und dem BM f. Unterricht, Kunst und Kultur (BMUKK) gefördert und zwei Jahre dauern wird.
Das Forschungsvorhaben, das von Prof. Dr. Annette Sprung vom Inst. f. Erziehungs- und Bildungswissenschaft der Universität Graz gemeinsam mit Wolfgang Gulis (ehemals Zebra) konzipiert wurde, beschäftigt sich zunächst mit der Analyse der Repräsentanz von MigrantInnen der 2. Generation in Organisationen der Erwachsenenbildung (EB). In weiterer Folge werden die strukturellen Bedingungen von Erwachsenenbildungs-einrichtungen untersucht, die den Zugang zum Berufsfeld erschweren oder ermöglichen. Dabei ist von besonderem Interesse welche gesellschaftlich-politischen Einflüsse auf diese Bedingungen vor Ort Einfluss nehmen. Auf Basis der Forschungsergebnisse sollen Prozesse der Interkulturellen Öffnung befördert werden.
Als PartnerInnen hat das Projekt zwei gewichtige AkteurInnen der österreichischen Erwachsenenbildungslandschaft mit an Bord. Einerseit, die Gesellschaft für Politische Bildung (ÖGPB) mit dem Projektteam um Hakan Gürses, Rahel Baumgartner, Ariane Sadjed und Edeltraud Schröttner und andererseits das Bundesinstitut für Erwachsenen-bildung (bifeb), das mit Christian Kloyber einen langjährigen Kenner und Experten der Szene ins Projekt entsandte.
In den nächsten Monaten wird das Forschungsteam, neben Annette Sprung, bestehend aus Brigitte Kukovetz, Ariane Sadjed (ÖGPB Wien) und Wolfgang Gulis, sich den Fragen der Repräsentanz von Angehörigen der 2. Generation im Berufsfeld der Erwachsenenbildung genauer widmen und insbesondere auch der Frage nachgehen, wie sie in einschlägigen Ausbildungslehrgängen repräsentiert sind und welche Strategien sie entwickeln, um an Aus- und Weiterbildungen teilzuhaben. Dieser Fokus wird ebenso in den Fallstudien, die in nächster Zeit bearbeitet werden, noch genauer untersucht.
Die Frage nach der Partizipation von MigrantInnen taucht ja in der Fachliteratur immer wieder auf und wurde nicht zuletzt von Sprung in ihrem jüngsten Buch „Zwischen Diskrimi-nierung und Anerkennung. Weiterbildung in der Migrationsgesellschaft.“ (Siehe Zebratl 1/2012) ausführlich erörtert. Da die Repräsentanz jedoch nicht alleine aussagekräftig ist und nicht der einzige Indikator für inklusive, durchlässigere und diskriminierungsärmere Strukturen ist, wie das Forschungsteam betont, werden in den Fallstudien auch die Rahmenbedingungen, die in den Organisationen vorherrschen, analysiert.
Da es sich um ein anwendungsorientiertes Forschungsprojekt handelt, welches darauf Wert legt, Beiträge und Erkenntnisse zu liefern, die nachhaltig die Potenziale und Ressourcen einer Migrationsgesellschaft fördern, geht es neben den wissenschaftlichen Erkenntnissen in den weiteren Schritten des Projektes auch darum, diese in praxisrelevante Handlungsanleitungen umzusetzen. Sowohl das bifeb als auch die ÖGPB werden Nutznießer dieser Prozesse sein und mithilfe des Forschungsteams sowie noch zu gründenden Fokus- und Transfergruppen Adaptierungen von Lehrgängen und Programmen durchführen können. Aus diesen Erkenntnissen sollen – als ein Ergebnis des Projektes – verallgemeinerbare Handlungsanleitungen für die österreichische Erwachsenenbildungslandschaft zur Verfügung gestellt werden.
Auftakt: ExpertInnenworkshop
In einer ersten Auftaktveranstaltung des Projektes wurden am 23. Oktober 2012 ExpertInnen zu einem Workshop in Wien eingeladen. Dabei ging es einerseits um die Vorstellung des Vorhabens, aber auch um einen inhaltlichen Einstieg in das Thema. So wurde eine Annäherung an die Felder und Begriffe, die zur Diskussion stehen, vorgenommen. Man sei, so Sprung immer damit konfrontiert, dass Begriffe etabliert werden und in Verwendung sind, wie etwa „Migrationshintergrund“ oder „2. Generation“, die einerseits öffentlich-statistische Kategorien sind, andererseits die Möglichkeit der Stigmatisierung und Ausgrenzung bestimmter Gruppen in sich bergen. Da Begriffe werden ja nicht in einem machtfreien Diskurs verwendet. Daher sei es Anliegen kritischer Wissenschaft diese Widersprüche und Ambivalenzen aufzudecken.
Ebenso kritisch wurde aber auch das Thema von Diversität und Interkultureller Öffnung diskutiert; zwei Begriff, die in Fachkreisen und politischen Themenfeldern immer öfter in Verwendung sind. Der häufige Gebrauch kann durchaus als Teil eines Diskurswandels verstanden werden, der sich von einem „Ausländer- über einen Integrationsdiskurs hin zu einem Diversitätsdiskurs verändert“. Jedoch sind in diesem Verhandlungsprozess zahlreiche Fallstricke enthalten. Dies kann einerseits zu einer beliebigen, inhaltsleeren Verwendung der Begriffe führen, ebenso aber auch zu einer zunehmend negativen Konnotierung. Sprung nannte das die „Euphemismus Tretmühle“. Neue neutrale Begriffe werden eingeführt und im Zuge der Jahre negativ konnotiert, bis wieder ein neuer Begriff Platz greift. Andererseits wird von einigen ExpertInnen kritisch in Frage gestellt, ob mit den Begriffen nicht eine Verschleierung vorgenommen werde, um von Ausgrenzung, Rassismus, ungleichen Machtverhältnissen und Chancenungleichheit abzulenken.
Die ProjektbetreiberInnen betonen auch, eine Plattform für viele verschiedene AkteurInnen aus Theorie und Praxis schaffen zu wollen, damit die Ergebnisse und Handlungsanleitung von Mig2eb nicht nur wissenschaftlich ergiebig, sondern auch für die organisationale-politische Praxis von Erwachsenenbildungsorganisationen zu verwerten sein werden.