Alles Einzelfälle!

Schreibkraft #34: Geht´s noch?

2.1.2019:

Mir geht’s nicht gut, von wegen ein paar Ferientage; ausspannen und so. Das Gegenteil ist der Fall. Bin erledigt und hab´ Fieber, um 17 Uhr waren es 38,5° – was ist das jetzt wieder, hört das nie auf?

„Wir würden gerne einige Umplanungen vornehmen, geht das?“ Die Wohnungsmaklerin bleibt entzückend nett.

„Ja da wäre es doch am besten, gleich mit dem zuständigen Ingenieur zu sprechen.“

Fünf Sekunden später hatte ich ihr brandneues Smartphone, das nach ihrem Parfüm roch, an meinem Ohr.

„Herr Ingenieur, wir würden gerne die Treppen um 90° Grad drehen.“

„Das geht net.“

„Ja und warum nicht?“

„Na des geht net, des is schon alles geplant.“

„Na, aber wir würden die Räume unten gerne vergrößern und dazu muss die Treppen gedreht werden.

„Na das geht…“

„…hmm, wenn das net geht, dann wird des aber nix mit dem Kauf.“

Die Wohnungsmaklerin wird zappelig neben mir.

„Schaun’s, des ist ja schon alles geplant und durchdacht.“

„Ja, aber es is´ noch nicht ´baut, also kann man das umplanen.“

„Planen müssen S‘ schon uns lassen.“

„Ja, aber wohnen tun schon wir drinnen.“

Ausatmen – Einatmen.

„Also warum geht’s nicht?“

„…äh, dann kommen S‘ oben anders raus.“

„Ja genau, …und?“

„Äh, dann … kommen´s dort raus, wo äh der Tisch und die Stühle sind.“

Ich bin so überrascht, dass ich mir den Plan nochmal her nehme und tatsächlich sehe ich, im oberen Stockwerk sind schematisch die Möbel eingezeichnet.

„Ja und…, die sind ja nur eingezeichnet, oder werden die Tische und Stühle dort oben gleich mit betoniert…?“

Herr Ingenieur atmet tief ein. Pause.

„Also wie …

„Aber des müssen S‘ zahlen.“

„Davon bin ich ausgegangen.“

Ich schrecke auf. Schon wieder so ein Realtraum, aus der Vergangenheit. Der Schweiß brennt auf den Pusteln. Ich muss lachen, die Situation hab ich schon vergessen, aber mein Gehirn – der Spezi – hat es ausgegraben. Ich liege auf der Couch im Arbeitszimmer, es ist 2 Uhr früh. Seit drei Tagen habe ich Schafblattern (Windpocken). Wie es so was gibt? Ja, das frag ich mich auch! Aber es ist so, von irgendwem habe ich mir die eingefangen. Obwohl meine Schwester sie hatte, habe ich sie als Kind nie bekommen.

20.08.2019:

Ich schrecke schon wieder aus einem Traum auf, diesmal habe ich geträumt, dass ein Demonstrant, der verhaftet wurde und am Boden liegend arretiert wird, von einem Polizeiauto fast überfahren wurde. Das von einem Passanten gedrehte Video erweckt nicht den Eindruck, dass das ohne Vorsatz erfolgt wäre. Kann man das als Scheinhinrichtung bezeichnen? Ja, sag´ ich und schwitze am ganzen Körper. Mein Gehirn sagt, ich übertreibe und interpretiere falsch. Aber gut, es ist auch eine heiße Nacht.

6. 12. 2018:

Oje, Ich werde krank, ich spür´ es schon. Unwohlsein, Knödel im Hals, Husten, heiße Stirn, Schlappsein. Eine Bronchitis oder so was Ähnliches kündigt sich an.

Die Türkis-Blaue Regierung ist jetzt 1 Jahr im Amt! Das schleichende Gift des Hasses, der Diffamierung, der Ausgrenzung, des rechtsextremen und antidemokratischen Denkens setzt sich wie eine Trut auf mich drauf. Wahrscheinlich hat die der Goldgruber geschickt. Genau der! Der einen eigenen Geheimdienst aufbauen wollte; am BVT vorbei, eine blau geführte geheime Staatspolizei?! Grindling hat das auch bestätigt im BVT U-Ausschuss. Er habe erst davon erfahren, als sie – Major F. und Goldgruber – Personalzuteilungen verlangt haben.

Sie bedienen die Wünsche der Industrie und Oligarchen, sie lassen sich zahlen, für Geschenke, die ihnen nutzen. Sie sickern in wichtige Institutionen ein, übernehmen die Macht, bringen sie unter ihre Kontrolle. Ich sehe es auch, ja danke. Die Parallelen sind augenscheinlich. Das Virus dringt in mich ein, schwächt mich und macht mich handlungsunfähig, individualisiert und privatisiert mich.

9.12. 2018:

Das Nachrichtenmagazin „profil“ veröffentlicht in seiner, Montag erscheinenden Ausgabe exklusiv das Sicherheitskonzept für das „Flüchtlingsquartier“ in Drasenhofen. Darin werden explizit die „Wünsche des Herrn Landesrat“ angeführt. Waldhäusl verlangte unter anderem die Bewachung durch einen Hund, eine Kamera beim Eingang und einen Zaun aus Stacheldraht, „damit nicht überklettert werden kann“. Das Konzept sah strenge „Ausgangsbeschränkungen“ vor.

Seit Tagen gehe ich nur aus dem Haus, wenn es unbedingt sein muss. Ich bin individualisiert, ich falle der Privatisierung zum Opfer, bin ausgangsbeschränkt, auf meine Bettstatt konzentriert.

13. 12. 2018:

Ich quäle mich durch die Woche. Bin freischaffend – was für ein Wort –, Termine einfach so absagen, geht nicht. Hab´ ich sie also über die Bühne gebracht, ohne zu wissen, was ich jeweils gemacht habe, was besprochen, vereinbart ich habe. Dann krieche auf die Couch und schlafe.

Laut einer APA/OGM Umfrage sprechen 60% der Befragten der Regierung ihr Vertrauen aus. Kanzler Kurz führt den Vertrauensindex mit 25 Punkten an.

Ich schleppe mich zu den Theaterproben. Wir können nichts ausfallen lassen, Anfang Februar ist Premiere. Ich robbe zu den Konzertproben, irgendwas werd´ ich schon gespielt und gesungen haben. War ich überhaupt dort?  Hat das alles stattgefunden oder träume ich schon wieder – einen von diesen Realträumen. Ich starre mit heißer Stirn auf den Bildschirm. Der Kalender sagt, ich war da überall dabei. Mehr nicht! Hätte Freude machen sollen. Davon konnte keine Rede sein.

15.12.2018:

Ich muss raus, trotz der Kälte, habe noch einen Pflichttermin, mit dem Fußball. Bis zum Ankick, ging es mir heute etwas besser. Das Match ist genauso miserabel wie die Regierung. Ab der 66. Minute habe ich Schüttelfrost. Ich habe jede Hoffnung auf ein schöneres Spiel verloren. Trostlosigkeit umfängt mich, das ist kein gutes Zeichen.

17.12. 2018:

Das nächste Malheur. Ich lieg´ jetzt mit einer Darmentzündung im Bett. Von einer Malaise in die andere, alles Einzelfälle. Das muss man jetzt nicht dramatisieren. Jeder einzelne Fall wird für sich betrachtet, behandelt und gelöst.

Jetzt muss ich doch einen Auftritt im Rahmen eines transnationalen europäischen Projektes absagen. Ich schick´ meine Powerpointfolien, damit sie wenigstens ungefähr wissen, wovon ich reden und worüber ich mit ihnen diskutieren wollte. Scheint aber eher wurscht zu sein, sie „konnten die Zeit eh für anderes, organisatorisches brauchen“, schreibt die Koordinatorin. So viel zur eigenen Wichtigkeit.

Das Höchstgericht gibt einem Wiener Recht, dem aufgrund der dubiosen Doppelstaatsbürgerschaftsliste, die von der FPÖ den Behörden übergeben worden ist, die österreichische Staatsbürgerschaft aberkannt worden ist und dagegen geklagt hatte. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) ist auch in dem Urteil der Meinung, dass der Datensatz nicht authentisch sei und er daher nicht als Beweismittel herangezogen werden könne.

19.12. 2018:

Meine Ferse schmerzt. Es ist eine kleine, unscheinbare Stelle am Fersenbein, wo die Achillessehne am Knochen ansetzt. Es beginnt mit einem Ziehen im äußeren Knöchel und steigenden Schmerzen, die so arg werden, dass ich kaum gehen kann und mich nur humpelnd fortbewege. Bin ich ein Sinnbild für die humpelnde und stolpernde Opposition? Die Schmerzstelle ist kleiner als der Fingernagel des kleinen Fingers. Das ist meine Achillesferse (haha).

Wahrscheinlich habe ich insgeheim den Auftrag bekommen, meinen Körper für eine SPÖ – Politikfähigkeitsaufstellung zur Verfügung zu stellen! Humple durch die eigene Wohnung, mehr geht bei der SPÖ auch nicht mehr. Ich schwöre, ich wusste nichts davon. Wahrscheinlich hat das der Kickl angeordnet und freut sich diebisch. Zwei Fliegen auf einen Streich. Kurz kann es nicht gewesen, der weiß ja von nichts.

Laut einer aktuellen Umfrage am 6. Juni 2019 baut die ÖVP ihren Vorsprung auf 37% aus, würde jetzt am Sonntag gewählt werden. Allerdings verliert der Wahlkämpfer Kurz an Strahlkraft. Bleibt aber weit vor den Anderen.

21.12.2018:

Ich bin etwas fitter, die Ferse ist besser, aber weit weg von Unauffälligkeit. Wir sollten da aber keine Schlüsse auf die Opposition ziehen. Einzig die Neos sind auf der Höhe, machen einen guten Job, im Rahmen ihrer Möglichkeiten. Daran halte ich mich. Es liegt an mir, ich muss mich einfach optimieren und freier werden, mich von den Fesseln befreien. Dann geht noch was.

Am Nachmittag sind wird bei einer syrischen Familie zum Essen eingeladen, mit denen meine Frau seit längerer Zeit Kontakt hat. Ein ausgezeichnetes Essen. Die Kinder sind lustig, für zwei Stunden kann ich mit Kindern ja sehr gut blödeln und spielen. Dann reicht es auch wieder. Der mittlere ist müde und schläft auf der Couch ein.

24.04.2019:

In einem Monat wird es diese Regierung nicht mehr geben. Ich träume vor mich hin, als ich am Flughafen Wien ankomme und die Schlagzeilen der Kronen Zeitung lesen muss. Kann es nicht so sein, dass diese korrupten Faschisten – die weibliche Form lasse ich jetzt einfach weg. Obwohl, wenn man an die Berlakovich und die Kitzmüller denkt, es schon wert wäre, auch hier zu „gendern“, soviel Auseinandersetzung muss sein – einfach verschwinden, sich einfach auflösen? Schwupps, wie ein schlechter Traum! Könnte es nicht einen besonderen Einzelfall geben? Wohl nicht. Die werden das Land weiter umbauen, still und heimlich und vorne auf der Bühne Trara mit den Flüchtlingen machen. Und wir alle hüpfen wieder mit und empören uns und das Ganze geht vor die Hunde.

24.12. 2018:

Attacke mit antisemitischem Stereotyp zu Weihnachten. Im Zusammenhang mit Flüchtlingen wirft FPÖ-Klubchef Johann Gudenus dem Caritas-Präsidenten Michael Landau „Profitgier“ vor. Aus dem FPÖ-Lager wird darauf verwiesen, dass Landaus Vater jüdisch war. Der Begriff „Profitgier“ fällt unter „alt bekannte Antisemitismen“. Trotz all dem, mir geht es etwas besser, Bronchitis, Darmentzündung hinter mich gelassen. Achillesferse in Arbeit. Mühsam.

26.12. 2018:

Es ist ruhig. Mein Körper – abgesehen von der Ferse – wird etwas kräftiger. Aber wirklich fit fühle ich mich nicht, leichter Schnupfen und Schlappheit umkreisen mich. Ein Zeichen? Erholt sich die SPÖ? Geht es den Grünen besser? Abwarten. Solche einfachen Analogien sind gefährlich.

31.12. 2018

Silvester. Erwartung für das neue Jahr, gute Vorsätze? Früher habe ich mich auf Silvester immer gefreut: kein christliches Fest, Anlass zum Rückblick und Freude aufs Neue. Gutes Essen, ausgelassene Feste, Riesenfeuerwerk. Aber heute, unschlüssig, alles schon durchgemacht, nichts so wirklich mehr cool. Nichts tun ist genauso wenig sexy. Rumsitzen, auf Mitternacht warten und dann schlafen gehen, das wäre ja auch wohl die endgültige Kapitulation.

Das Neujahrsbaby vom Vorjahr wurde wüst beschimpft, weil die Mutter ein Kopftuch trug. Eine der Beschimpferinnen wurde verurteilt. Einsicht gleich Null bei ihr. 2018 auf 2019 war die Frau ohne Kopftuch, aber sie schaut auch fremdländisch aus, also…? Sicher wieder Dreck im Netz. Aber es war nicht so extrem wie 2018. Aber da seht ihr, wie man schon im Hirn verklebt ist, von dem rassistischen Müll. Es kommt einem selbst auch gleich in den Sinn. Wie kommen wir da wohl wieder raus. Das dauert länger.

Pummerin aus dem TV. Walzertanzen, einziger Anlass bei dem ich regelmäßig tanze. Außer im betrunkenen Zustand in Griechenland, ist aber auch schon lange her. Nach 2 Minuten ist eh Schluss, weil schwindlig. Feuerwerk schauen geht trotzdem.

6.1.2019:

Mit dem Ausbruch der Pusteln ist an längeren Schlaf nicht zu denken, die Haut ist papieren, schmerzempfindlich, es juckt, brennt, zieht. So bin ich auf die Couch ausgezogen und wandere in der Wohnung umher. Mein Gehirn hat sich 2019 augenscheinlich selbständig gemacht, ob in Träumen oder im Wachzustand. Na servas. Liberalisierung des Gehirnmarktes.

Mein Gehirn ist jetzt Einzelunternehmer geworden und nennt sich nur mehr EGU (Ein Gehirn Unternehmer). Es überlegt, ob es nicht den „Der Standard“ kaufen soll, um Zugriff auf das Online Portal und die größte Netzcommunity zu erlangen. Regierung macht mich echt fertig. Mein Gehirn lobbyiert für den 12 Stunden Tag? Ich frag, mich, was sonst noch alles geht!

7.1.2019:

Der Höhepunkt der Schafblattern, das Fieber ist weg – ich schau aus wie einer, der gerade Zombie wird, nur der grüne Geifer aus dem Maul fehlt. Die Nächte sind schlaflos. Ich stehe unter Quarantäne. Mit meinem Arzt kommuniziere ich nur mittels Fotos und SMS. Meine Ferse ist ein bisschen in den Hintergrund getreten, aber ich spüre sie noch.

Mein Gehirn will die Steuerreform durchziehen, weil die „kalte Progression“ ihm Angst macht und ihm immer zu wenig getan wird, für die Niedrigverdiener. Gleichzeitig sagt es, es will „da eh raus“ und bald in die höhere Steuerklasse aufsteigen. Also was jetzt?

10.04.2019:

Mir reichts, jetzt lass´ ich mir eine Spritze reinhauen. Das ganze sanfte Zeug, hat letztlich nix geholfen. Die Entzündung geht damit nicht weg. Die Ferse bleibt labil, die Schmerzen kommen immer wieder. Also Spritze rein, schließlich muss das ganze ja wieder irgendwann besser werden und ausheilen. Jetzt dauert mein Humpeln schon seit Ende Dezember. Die Grünen sind auf dem Weg der Heilung und die Widerstandsbewegung hält heroisch durch. Die Greta Thunberg Bewegung wächst, Anzeichen für das Ende der bleiernen Zeit? Langsam mit den Pferden.

11.1.2019:

Kanzler Kurz faselt was von Frühaufstehern und Leistung und Mindestsicherungsbeziehern und Wien. Positioniert ein bösartiges Narrativ. Viele machen sich zwar lustig darüber, vor allem Wiener*innen, aber damit unterstützen sie nur ein tief sitzendes Klischee und verbreiten es selbst weiter. Fieser geht’s echt nicht mehr.

Ich weiß jetzt, woher ich die Schafblattern habe! Ein Besuch meiner Frau bei der syrischen Familie hat das Rätsel gelöst. Dort regieren jetzt die Pusteln. Also hab ich mich bei der Einladung zum Essen damals angesteckt. Der Mittlere war schon ansteckend gewesen, die Krankheit aber noch nicht ausgebrochen. Teuflisch. Das hat man davon…, denkt mein Gehirn. Hallo?

Langsam sollte meine Quarantäne aufgehoben werden. Meine Kolleg*innen haben alle Angst vor Ansteckung. Das Böse ist immer und überall und liegt in der Luft. Im Schutzanzug proben, mit Mundmaske ist auch nicht das Wahre, für die Bühnenperformance wäre es aber überlegenswert.

Mein Gehirn sagt so en passant – als ich mal Pause mache und auf dem Balkon stehe und in die Gegend schiele – ich solle doch kürzere Texte bei den Liedern schreiben. Damit sich die Leute das leichter merken und nicht so verklausuliert „daher singen, das versteht ja keiner“. Schließlich will mein Gehirn jetzt endlich Geld verdienen. Woher hat es das plötzlich, diese Gier nach Geld?

23.1. 2019:

Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) stellt die Europäische Menschenrechtskonvention und das rechtsstaatliche Prinzip infrage. Im Interview im ORF-„Report“ am Dienstagabend erklärte er: „Ich glaube immer noch, dass der Grundsatz gilt, dass das Recht der Politik zu folgen hat und nicht die Politik dem Recht.“ Tatsächlich ist im Bundes-Verfassungsgesetz festgehalten: „Die gesamte staatliche Verwaltung darf nur auf Grundlage der Gesetze ausgeübt werden.“ Bin erstaunt, was alles geht.

Ich frage mich, ob in meinem Gehirn sich irgendwo ein Kickl eingenistet hat und jetzt herum galoppiert. Anzeichen dafür gibt es immer wieder.

3.2. 2019:

Der Falter berichtet, dass in Oberösterreich deutsch-völkische Burschenschaften mit viel Geld gefördert werden. Die Burschenschaften tragen Namen wie „Ostmark“ & „Donauhort“. Der „Waffenspruch“ der Burschenschaft „Donauhort“ lautet: „Was gibt es hier? Deutsche Hiebe!“. Förderung wurde in vergangenen Jahren sogar erhöht!

6.2.2019:

Jetzt bin ich in Therapie wegen der Ferse. Es wurde ja nicht wirklich besser, das höchste war, wieder gehen können. Das kann es doch nicht sein. Hoffe, es wirkt.

Weil es nicht anders geht, tu ich jetzt radeln. Aber das ist nicht ganz meins, vor allem in der Früh ziellos herumfahren. Komisch. Mein Gehirn findet, die Umbenennung in „Ausreisezentrum“ von Kickl ganz okay.  Ist das noch mein Gehirn? Es meint, ich könne ja gehen, wenn es mir nicht passt.

6.4. 2019:

Zweimal ist es gut gegangen, dann war es wieder so weit. Meine Ferse schmerzt schlimmer, denn je. Nächste Woche gibt es die Spritze. Jetzt wirklich. Schluss.

14.04.2019:

Ich geh´ in Urlaub. Meine Ferse schmerzt nicht mehr, ich kann wieder normal gehen. Ich fliege fort. Da meldet sich natürlich sofort mein Gehirn und meint, man müsse da jetzt echt schlechtes Gewissen haben. Ich muss gesunden, weil sonst kriegen wir die Regierung nie weg, wenn ich weiter so anfällig bin. Und mein Gehirn muss sich jetzt auch bald mal entscheiden. Beim Merkur Markt will es doch immer nur Wurst kaufen.

21.05. 2019:

Ich fühle mich ohnmächtig, diese Regierung zerstört alles. Wir drehen uns im Hamsterrad, das diese Spin Doktoren aufgestellt haben. Wir laufen in deren Bahnen. Wir empören uns über die rechtsextremen Einzelfälle. Aber geht’s nicht darum, dass sie die Hegemonie erlangt haben? Stück für Stück und das ist nicht nur ein antidemokratischer sondern auch ein neoliberaler Diskurs. Ich komme mir vor, als sei ich umgeben von lauter geifernden Bulldogen, die sich um den Knochen raufen, der ihnen zugeworfen wird.

05.06.2019:

Die SPÖ wird nicht mehr gesund. Die anderen sagen, über was sie diskutieren sollen und sie tun´s. Die sind längst keine Partei mehr, kein einheitlicher Körper, der an einem Strang zieht. Wenn die so weiter tun, können sie um die Invalidenpension ansuchen. Arbeitsfähig sind die schon lange nicht mehr.

Ganz im Gegensatz zu mir. Ich bin voll gesund, mir geht’s gut. Ich halte mich da eher an die Grünen, die derzeit auferstehen – siehe EU Wahl und Deutschland – und die jetzt kräftig sind. So do I. Tomorrow belongs to me.

14. 06. 2019:

Ich steh´ auf der Bühne, irgendwo in Wien. Ich bin gut in Form, das merke. Ich will irgendwas sagen, zur Veränderbarkeit und Gestaltbarkeit von Geschichte und dass der Herbst völlig offen ist und wir zuversichtlich sein sollen. Ich will Optimismus verbreiten.

Ich schau´ an mir runter und hoffe, ich seh´ nicht so aus, wie der Strache in Ibiza. Eingezwängt in einem zu engen T-Shirt, rotgesichtig und verschwitzt, weil in Euphorie. Anton startet mit der Einspielung und seinem mächtigen Bass. Ich schließe die Augen und warte auf meinen Einsatz. Dass mit dem Strache muss ich verschieben auf nachher.

22. 9. 2019:

Heute hätten Wahlen sein können. Die kommen erst. Ich wahrsage und lache. Seit ich weiß, dass Lachen gesund macht – selbst wenn das Lachen nur „gefakt“ ist, wie mir Vera Birkenbihl in einem Video erzählt, reicht das aus, um unser Immunsystem wieder auf Vordermann/-frau zu bringen und das innerhalb von 60 Sekunden – bin  ich positiv gestimmt. „Freudehormone fressen Kampfhormone“ wie sie sagt.

Seitdem sitze ich da und lache in den PC und es wirkt. Also da geht was, da bin ich jetzt „überzeugt von“. Und wenn mir jemand im Jänner 2019 gesagt hätte, Ende Mai wird es Kurz, Strache, Kickl, usw. nicht mehr als Regierungsmitglieder geben und eine Frau wäre Bundeskanzlerin, die alle im Land lebenden Menschen begrüßt, dann hätte ich darüber nur gelacht. Das Lachen wäre aber auf jeden Fall gut gewesen. Und mein Gehirn? Das hätte sich eine Erschütterung zugelegt vor lauter ungläubigem Staunen.