Sturm Echo Nr. 340

Sturm Echo 340 – Protokoll zu einer kuriosen Geschichte:

Wie Sturm Ronaldinho und Adriano nicht verpflichtete

„Interessiert mi net. Is ka Schifahrer“

 Wir haben ihn, den Ossi Tesourinha, in der Saison 1964/65 bei Sturm kennengelernt. Später dann war der Kolly mehrmals drüben in Porto Alegre und Ossi war auch immer wieder in Graz. Wenn er da war, hat er beim Kolly gewohnt. Als wir irgendwann nach seiner aktiven Karriere einmal bei ihm drüben waren, sagen wir zu ihm: „Schau, dass wir gute, junge Spieler kriegen. Aber weißt eh, Sturm hat kein Geld.“ So hat das angefangen, und Ossi hat dann immer wieder junge Spieler angeboten. Schon unter Gerdi Springer war einer da, aber das ist nix geworden. Ein anderer hat Alexander geheißen. Der ist nach einer Woche wieder zurück, hat Heimweh gehabt … und der Sohn vom Ossi war ja auch kurz in Graz. Sturm hat aber nie so wirklich Interesse gezeigt.

Später dann – schon in den 1990ern – sagen wir wieder zu Ossi: „Du, wir wollen gute Spieler haben.“ Daraufhin hat er uns das Videoband eines Spielers geschickt. Wir haben das Band dem Höfler Walter gezeigt, der war ein ehemaliger Sturm-Spieler, und der hat gesagt: „So an Kicker hat Sturm noch nie gehabt.“ Das war so etwa 1997 oder 1998, schon in Osims Zeiten. Auf jeden Fall sind wir beide dann zum Schilcher und haben ihm gesagt, wir hätten da ein Video von einem Brasilianer, der zu haben wäre. Schilcher sagt: „Interessiert mi net, is ka Schifahrer.“ Was heißt, dass er im Winter nicht spielen kann. „Gehts zum Kartnig.“ Wir also zum Kartnig. Der sagt: „Des interessiert mi net, i bin net die sportliche Leitung. Gehts zum Osim.“ Der Osim sagt: „Ich hab‘ mit Transfers nichts zu tun.“ Unsere Vereinsführung hat sich das Video nicht einmal angeschaut. Wir haben dann zusammen mit ein paar anderen überlegt, ihn selbst zu finanzieren. Aber wir haben das dann bleiben lassen. Wenn Sturm ihn nicht will, bringtʻs jo nix.

Es war der Ronaldinho im Alter von ca. 17 oder 18 Jahren. Der hat damals bei Gremio Porto Alegre gespielt, dem Stammklub vom Ossi. Er wechselte etwas später zu Paris St. Germain und den Rest seiner Karriere kennt man ja eh: Weltfußballer, FC Barcelona, AC Milan usw. Der Wahnsinn war ja, dass der Transfer für Sturm ohne Risiko gewesen wär‘. Sturm hätte nur die Flugkosten, die Verpflegung, Unterbringung und ein Taschengeld finanzieren müssen. Wir hätten ihn unter diesen Bedingungen ein halbes Jahr haben können. Erst dann, wenn wir ihn weiter haben hätten wollen, wäre eine Ablösesumme fällig geworden. Für Ronaldinho haben sie 1,7 Millionen Dollar verlangt. Da hätt ma auch noch handeln können.

Ein halbes Jahr später hat uns Ossi die nächste Kassette geschickt, das war ein gewisser Adriano. Gleiche Bedingungen, ein halbes Jahr auf Probe, nur den hätten wir dann sogar um nur 800.000 Dollar bekommen. Aber die Führung: „Nix, interessiert uns net!“ Er ist dann zu Inter gegangen. Zwei Jahre später hat Sturm den Amoah um 54 Millionen Schilling gekauft. Ein Wahnsinn. Wenn Sturm die beiden Brasilianer geholt und später weiterverkauft hätte, wir wären wahrscheinlich niemals in Konkurs gegangen.

Vielleicht hat das damals nicht funktioniert, weil sie nicht wollten, dass einer von den Anhängern sagt, das wäre ein guter Spieler. Nach dem Motto: „Wir san ja kane Experten.“ Oder sie wollten möglicherweise auch nicht, dass wir die Transfersummen kennen und womöglich Anspruch auf Provisionen erheben. Aber das wollten wir eh nicht. Wir wollten Sturm nur helfen.

Wo die Videos heute sind, wissen wir nicht. Der Kartnig ging dann auf Weltreise, die ging ja auch nach Brasilien. Vielleicht haben wir sie ihm mitgegeben.

Gesprächspartner: Gert Kolly, Sturm-Mitglied seit seiner Geburt 1940 und Otto Urlepp, Sturm-Mitglied seit 1961

SturmEcho-Protokollant: Wolfgang Gulis